In einem aktuellen Urteil des LArbG Berlin-Brandenburg 12. Kammer vom 23.06.2023 (Aktenzeichen: 12 TaBV 638/22) wurde entschieden, dass eine Arbeitgeberin die einseitige Vorgabe einer Anrückzeit im Rahmen der Rufbereitschaft nicht durchführen darf, wenn sie nicht für alle Anwendungsfälle angemessen ist. Die Entscheidung stützt sich auf die Wirksamkeit einer Betriebsvereinbarung zur Rufbereitschaft (BV Arbeitszeit Ärzte), die in einem früheren Verfahren rechtskräftig als wirksam festgestellt wurde.
Im konkreten Fall ging es um eine Dienstanweisung der Arbeitgeberin, die vorschrieb, dass Fachärzte während der Rufbereitschaft innerhalb von 30 Minuten am Patienten verfügbar sein müssen. Der Betriebsrat sah darin eine Verletzung der Betriebsvereinbarung, da diese eine telefonische Erreichbarkeit und eine angemessene Aufnahmezeit vorsah, jedoch keine genaue Zeitspanne definierte.
Das Arbeitsgericht Brandenburg hatte den Antrag des Betriebsrats in erster Instanz abgelehnt, da es eine Regelung zur Anrückzeit nicht in die Mitbestimmung des Betriebsrats einbezog und die Rufbereitschaft bereits durch Tarifvorschriften geregelt sei. In einem früheren Verfahren im Jahr 2014 wurde zudem die BV Arbeitszeit Ärzte als wirksam bestätigt.
Die Beschwerde des Betriebsrats vor dem LArbG Berlin-Brandenburg war erfolgreich. Das Gericht entschied, dass die Arbeitgeberin die einseitige Anrückzeit-Vorgabe unterlassen muss, da sie gegen den Durchführungsanspruch aus der wirksamen Betriebsvereinbarung verstößt. Der Spruch der Einigungsstelle aus dem früheren Verfahren steht rechtskräftig fest und bestätigt die Wirksamkeit der BV Arbeitszeit Ärzte.
Das Gericht betonte, dass die Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung zur Wirksamkeit des Einigungsstellenspruchs unabhängig davon ist, ob alle möglichen Unwirksamkeitsgründe in dem Verfahren geprüft wurden. Die Frage nach dem Bestehen einer Mitbestimmungspflicht bezüglich der Anrückzeit ist ebenfalls durch die rechtskräftige Entscheidung geklärt.
Insgesamt zeigt das Urteil, dass Arbeitgeber bei der Festlegung von Anrückzeiten während der Rufbereitschaft die Bestimmungen von Betriebsvereinbarungen angemessen berücksichtigen müssen. Eine einseitige Regelung kann gegen den Durchführungsanspruch aus einer wirksamen Betriebsvereinbarung verstoßen und somit unzulässig sein.